Technologievorhaben

3D osseo distrakt

3D osseo distrakt

Gesamtziel:

Entwicklung eines voll-digitalen Workflows mit dem Ziel der additiv-generativen Fertigung eines patienten-individuellen Distraktors zur Erweiterung des Unterkiefers

Partner:

Laufzeit: 01.10.2018 - 30.09.2020

Konventionelles Vorgehen bei Unterkieferdistraktion

Im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung besteht neben der Extraktion gesunder Zähne zur Platzgewinnung die Möglichkeit einer Unterkieferdistraktion. Hierbei wird der Unterkiefer im Bereich der Symphyse durchtrennt und mittels einer Dehnungsapparatur (Distraktor) langsam gestreckt, wodurch die Regeneration des Knochens angeregt wird. Bisher kommen bei diesem Verfahren standardisierte, plane Distraktoren zum Einsatz, die während der OP an die individuelle Kieferanatomie des Patienten angepasst werden müssen (Abbildung 1). Dies führt unter anderem zu längeren OP-Zeiten, einer erhöhten Frakturanfälligkeit des Distraktors, dem Risiko von Nerven- und Zahnschädigungen sowie unvorhersehbar wirkenden Kraftvektoren aufgrund ungenauer Anpassung und/oder variabler Platzierung des Distraktors.

Abbildung 1:

a) konventionell hergestellter Distraktor (Bologna-Distraktor, KSL-Martin Group, Tuttlingen, Deutschland)

b) 2D-Röntgenaufnahme des in a genannten skelettal getragenen Distraktors

c) entsprechende klinische Situation.

Die derzeitige Therapieplanung basiert auf analogen und halbdigitalen zweidimensionalen Auswertungsmethoden wie der klassischen Kieferabformung, einem daraus angefertigten 3D-Gipsmodell des Kiefers, einem 2D-Röntgenbild sowie klassischen intra- und extraoralen Fotos. Anhand dessen wird nach einer kieferorthopädischen Auswertung über weitere therapeutische Maßnahmen entschieden. Bei Distraktionsentscheid wird zusätzlich eine 3D-Röntgendiagnostik (Digitale Volumentomographie oder Computertomographie) durchgeführt, welche aber nicht zur weiteren Vermessung als Grundlage für die Therapieplanung herangezogen wird, sondern lediglich zur besseren präoperativen Visualisierung und Darstellung der zu schützenden Strukturen dient. Eine Optimierung der Prozesskette erfolgte bereits durch die präoperative Anpassung des planen Distraktors anhand der Unterkiefermodelle (Abbildung 2). Gewisse Passungenauigkeiten müssen dennoch intraoperativ ausgeglichen werden und somit kann auch hier eine Materialschwächung aufgrund der anfallenden Torsion und Biegungen nicht vermieden werden. Die 3D-Aufnahmen können zudem bislang nicht in die kieferorthopädische Auswertung und Therapieplanung integriert werden. Auch gibt es bisher keine auf dem Markt verfügbare Software, die alle notwendigen Auswertungsmethoden zur digitalen Planung enthält und die zur Therapieplanung notwendigen Parameter vereint.

 

Abbildung 2: Klassisches und optimiertes Verfahren zur Therapieplanung bei Unterkieferdistraktion.

Geplante digitale Prozesskette bei Unterkieferdistraktion

In einigen Fällen liegt zwar ein 3D-Datensatz der Kieferanatomie vor, dieser wird aber bisher nicht zur Auswertung und Generierung eines patienten-individuellen Distraktors verwendet. Dies liegt auch daran, dass bisher kein volldigitaler Workflow zur Generierung eines Unterkieferdistraktors existiert. Deshalb soll im vorliegenden Projekt eine digitale Prozesskette inklusive einem geeignetem Software-Werkzeug entwickelt werden, welche die virtuelle 3D-Diagnostik, die 3D-Therapieplanung sowie die Generierung des patienten-individuellen Distraktors vereint (Abbildung 3).
Basierend auf den 3D-Daten des Patienten, wie zum Beispiel 3D-Röntgenaufnahmen und einem direkten, intraoralen Scan, soll ein CAD/CAM-Modell des Distraktors erstellt werden, welches präoperativ digital an die individuelle Kieferanatomie angepasst wird. Aufgrund der uneingeschränkten Individualisierbarkeit von additiv-gefertigten Produkten können so die Nachteile der bisherigen intraoperativen Anpassung umgangen werden und das Behandlungsrisiko minimiert werden. Ebenfalls kann somit eine exakte intraoperative Platzierung anhand der zuvor bestimmten Kraftvektoren erfolgen, was den Therapieerfolg optimiert. Der virtuell gestaltete Distraktor soll im vorliegenden Projekt patientenindividuell mittels 3D-Titandruck umgesetzt werden.

 

Abbildung 3: Volldigitale Prozesskette zur Therapieplanung bei Unterkieferdistraktion.

Demonstratoren

Im Speziellen sollen zwei Demonstratorvarianten im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie per selektivem Laserschmelzen (SLM) gefertigt werden (Abbildung 4). Bei diesem Verfahren werden dünne Schichten aus Metallpulver mit den darunterliegenden Schichten mittels Laserstrahlung verschmolzen und anschließend gefestigt. Hierbei lassen sich bewegliche Funktionselemente integrieren, was bei konventionellen Verfahren bislang unmöglich ist. Beim Demonstrator Typ A handelt es sich um ein komplett additiv-gefertigtes Bauteil mit patienten-individueller Passgenauigkeit, welches zusammen mit allen Funktionselementen generiert wird. Die Herstellung des Demonstrators nach Typ A kann als Benchmark betrachtet werden. Hierbei kann die Distraktorgeometrie inklusive der funktionellen Elemente, wie zum Beispiel die Größe der Schraube, individuell an den Patienten und den Therapieplan angepasst werden. Beim Demonstrator Typ B wird die Gewindestange sowie die Stabführung als standardisiertes Bauteil mit dem additiv-gefertigten, individuellen Bauteil durch einen anschließenden Fügeprozess verbunden. Aufgrund ihrer positiven Eigenschaften wird als Werkstoff die Titanlegierung Ti6Al4V ELI verwendet. Biologische Tests zur Oberflächenbeschaffenheit, wie verschiedene Rauigkeiten im Bereich der Knochenanlagerungsfläche bzw. im transgingivalen und gingivalen Anteil, sind neben den technischen Parametern ebenfalls Gegenstand der Untersuchungen des vorliegenden Projektes.

 

 

Demonstrator Typ A vollständig durch additives Verfahren hergestellt.

 

 

Demonstrator Typ B mit integriertem standardisierten Bauteil (Gewindestange rot markiert).